Bewohnerin bei ProCurand in Halle erzählt aus ihrem Leben© ProCurand
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Persönlichkeiten bei ProCurand: Sonja Haring ist das typische Kriegskind

Geprägt von Krieg und Not hat die 1931 geborene Sonja Haring jedoch nie ihre offene und fröhliche Art verlernt. Die Verkäuferin war immer gern unter Menschen und liebte das Reisen in der DDR. Heute lebt sie in der ProCurand Seniorenresidenz am Hufeisensee in ihrer Heimatstadt Halle. Sie hat uns ihre bewegte Lebensgeschichte erzählt.

Sonja Haring wurde 1931 als eines von sieben Kindern in Halle geboren. Ihr Vater arbeitete als Heizer bei der Reichsbahn. Die elegante und redegewandte Frau sagt, sie sei ein typisches Kriegskind. „In meiner Kindheit kannte ich keine unbeschwerte Zeit“, erzählt sie. So standen zum Beispiel die Trainingseinheiten, die das sportliche Mädchen begeistert im Schwimmverein absolvierte, immer unter der Bedrohung eines möglichen Fliegeralarms. Ertönte der Voralarm, mussten alle Schwimmerinnen schleunigst das Wasser verlassen und nach Hause in Luftschutzkeller eilen.

Man sei innerlich immer getrieben gewesen, erinnert sie sich. Aber: „Ich war und blieb eine Schwimmmaus.“ Das Kriegsende bedeutete noch keine Erlösung, die Großfamilie ereilte ein schwerer Schicksalsschlag. Das Wohnhaus der Familie, das in der Nähe des Bahnhofs stand, im heutigen Stadtteil Freiimfelde, wurde in den letzten Kriegstagen noch ausgebombt, während sich die Familie in der Wohnung befand.

Bei dem Angriff verlor Frau Haring ihren kleinen Bruder. Am 31. März war das, ihrem Geburtstag. Aber für Trauer war damals keine Zeit. Es folgte eine Odyssee durch verschiedene Notquartiere: von einem Kindergarten über das Teutschenthaler Schloss, aus dem sie von amerikanischen Soldaten verdrängt wurden, bis schließlich zu einer Zweiraumwohnung im Hallenser Paulusviertel.

Sonja Haring musste nicht nur die schrecklichen Kriegserfahrungen verarbeiten, sondern auch ihren Platz im Leben finden. Nach den üblichen acht Schuljahren wurde sie 1945 aus der Schule entlassen. Nach dem hauswirtschaftlichen Pflichtjahr bei einer Hallenser Familie arbeitete sie zunächst für ihren Vater, der sich mittlerweile mit der Herstellung von Holzpantoffeln selbständig gemacht hatte.

Endlich aber landete sie an ihrem Traumarbeitsplatz: Als Fachverkäuferin im Kaufhaus der Jugend direkt am Marktplatz. Eine schöne Zeit sei das gewesen, trotz Mangel und „Gegaupel“ unterm Ladentisch, sagt sie. Es gab viele Veranstaltungen, tolle Kollegen und Engagement in der Gewerkschaft. Sie war immer viel unterwegs und unter Menschen. Dem Kaufhaus blieb sie ihr ganzes Berufsleben treu. 1991, nach 25 Jahren Jahren, ging sie aufgrund der drohender Schließung des Hauses in den Vorruhestand.

Das Privatleben war über all die Jahrzehnte nicht weniger bewegt: Haring war 58 Jahre glücklich verheiratet. Ganz klassisch hatte sie ihren zukünftigen Mann im zarten Alter von 17 beim Tanzen im Freundeskreis kennengelernt. Damals ging man ins Café Bauer, in den Volkspark oder in den Zoo, um seine Jugend auszuleben. „Der Krieg hat so viel kaputt gemacht. Wir wollten wieder leben und Spaß haben“, erinnert sich Sonja Haring.

Die Familie bekam zwei Söhne, die ihr inzwischen „liebe Schwiegertöchter und zwei Enkel“ bescherten. Als die Kinder noch sehr klein waren, erkrankte Haring an Tuberkulose als Folge der Mangelernährung im Krieg. Die Kinder blieben bei Großmutter und Vater. Die Mutter musste über fünf lange Wochen zur Kur und später zur sogenannten Liegestätte, einer ambulanten Kur über mehrere Wochen in Halle. Etliche Jahre bekämpfte sie die Krankheit – schließlich erfolgreich. „Meine Kinder haben mir die Kraft gegeben, sonst hätte ich das nicht geschafft.“

Die Ehe war erfüllt: „Wir hatten nichts, aber wir haben das Beste draus gemacht“, schmunzelt sie heute. Das Ehepaar liebte das Reisen in der DDR. Während die Jungs im Ferienlager tobten, kamen die beiden in den Genuss von Ostsee, Harz und Thüringer Wald. Später kamen auch Bayern und Gardasee als Ziele hinzu.

„Ich lebe in Erinnerungen“, sagt Frau Haring heute. Seit 2012 lebt sie in der Seniorenresidenz am Hufeisensee. Ihr Mann verstarb vor einigen Jahren an Krebs, aber die Söhne und Enkel sind ganz in ihrer Nähe. Das Leben in der Residenz gefällt ihr gut. Nach einer Hüftoperation, die jedoch im Nachhinein zu Komplikationen führte, saß Frau Haring im Rollstuhl und konnte nicht in ihrer Wohnung bleiben. Sie richtete sich gemütlich ein und pflegt intensiven Kontakt zum Pflegepersonal. „Das hat mir vieles erleichtert, allein schon bei den vielen medizinischen Handgriffen, die am Anfang nötig waren“, erzählt sie.

Auch diese Lebensstation meistert sie mit großer Stärke und Fassung, Optimismus und Willenskraft. Wichtig sind ihr gute Gespräche und „dass man immer mal raus kommt, unter Menschen, und etwas anderes sieht.“ So bleibt sie ihrer offenen und freundlichen Art treu. Sie liebt den Park und die Grünanlagen um das Residenzgebäude. Eine Idee beschäftigt sie gerade im Sommer: „Ich würde gern einmal im Hufeisensee schwimmen gehen, wenn ich nur könnte.“